Nationalparkbahn zum Königssee

KLECKERN STATT KLOTZEN
ein Projekt der HORBER SCHIENEN -TAGE

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Geschichtliche Entwicklung

Ab dem Jahr 1907 verkehrte eine Lokalbahn von Salzburg direkt über Marktschellenberg nach Berchtesgaden zusätzlich zur 1888 eröffneten Staatsbahnstrecke von Freilassing über Reichenhall nach Berchtesgaden. Die auf bayerischer Seite wegen der Wagenfarbe "Grüne Elektrische" genannte Lokalbahn (auf der östereichischen Seite hieß sie "Rote Elektrische") wurde mit einer Spannung von 1000 V Gleichstrom betrieben und verband die Stadt Salzburg mit den schon damals gerne be­suchten touristischen Highlights im heutigen Alpen-Nationalpark. Im Mai 1909 wurde die 4,3 Kilometer lange Lücke zum Königssee geschlossen. Die Königssebahn nahm zusätzlich die Fahrgäste auf, die mit der Staatsbahn anreisten. Um den Ansturm der Besucher zu bewältigen fuhr man schon vor dem 1. Weltkrieg entlang der Königsseer Ache im 20-Minuten-Takt.

Im Jahre 1939 wurde die Lokalbahnstrecke zwischen Salzburg und Berchtesgaden auf Befehl der damaligen Machthaber in einer einzigen Nacht von der Reichswehr im Rahmen einer Übung abgebaut. Die verbleibende Strecke zum Königssee wurde 1940 auf das normale Bahnstromsystem von 15 KV Wechselstrom umgestellt. Die Züge verkehrten vom Lokalbahnhof gegenüber dem Hauptbahnhof, bis am 25. September 1966 die DB die Strecke einstellte.

Für die die An- und Abreise der Staatsbesucher am Obersalzberg war geplant, von Salzburg über Marktschellenberg eine zweigleisige elektrische Schnellzugstrecke zu errichten. Dazu wurde ein Tunnel in Verlängerung der Staatsbahn gebaut. Die Königssebahn hatte zwischen dem Bahnhof und diesem Tunnel eine Gleisverbindung zur Hauptstrecke. Trotz der kriegsbedingten Engpässe wurden die Gleise bis in den Osten der Stadt Berchtesgaden vorangetrieben. Dem lokalen Güterverkehr standen sie bis in die 1980-er Jahre zur Verfügung. Heute wird der Tunnel als Lagerhalle des Bauamts Berchtesgaden genutzt.

Situation 2010

Nach der Aufgabe der Bahnstrecke zum Königssee wurde am Ende der ehemaligen Bahntrasse ein Park­platz an­ge­legt, der ca. 6000 Fahrzeugen Platz bietet. Er erschließt den Königssee und auch die Seilbahn zum Jenner. Sowohl an schönen Sommertagen wie im Win­ter reicht dieser Parkplatz oft nicht aus. Wei­te­re Besucher kommen mit Reise- und Linien­bussen.

Der Bedienung des Bahnhofs Berchtesgaden durch Züge aus Freilassing ist längerfristig ge­sichert. Ab Dezember 2009 wird diese Strecke als Linie S 4 der Salzburger S-Bahn von der BerchtesgadenerLandBahn betrieben. Es ist geplant, sie durch den Tunnel auf der im Ortsbereich von der Bebauung freien Trasse bis zu einem neuen zentrumsnäheren Haltepunkt Berchtesgaden Ost zu verlängern. Die örtlichen Ziele Watzmanntherme, Bräustüberl und Gymnasium wären dann direkt mit der Bahn erreichbar. Ein konkretes Datum für die Inbetriebnahme der Verlängerung gibt es noch nicht.

Vorgeschlagene Verbesserung

Die Bahnstrecke zum Königssee soll wieder errich­tet werden. Die alte Trasse ist noch weit­ge­hend frei und die Grundstücke in öffentlicher Hand.

Die früher bestehende Anbindung an die Bahn­strecke Freilassing - Berchtesgaden ist verbaut. Auf dem Vor­platz des Bahnhofs Berchtesgaden wurde ein Terminal für die Regionalbusse gebaut. Die neu zu errichtende Strecke soll östlich des Bahnhofs mit der vorhandenen Gleisanlage verbunden werden. Damit können Fahrzeuge zugeführt werden und die Option, einzelne Züge von der bestehenden Bahnstrecke zum Königssee durchzubinden, bleibt gewahrt. Sobald die ge­plante Verlängerung der bestehenden Bahnlinie nach Berchtesgaden Ost in Betrieb geht, können damit die Züge zum Königssee von und nach Berchtesgaden Ost durchgehend verkehren und den zu erwartenden starken lokalen Verkehr optimal bedienen.

Im Bereich Schwöbbrücke müsste das neue Gleis um ca. 70 Meter gegenüber der alten Lage ver­schwenkt werden. Eine Gaststätte nutzt hier Teile der ehemali­gen Trasse.

Bei Stangermühle soll die alte Trasse verlassen wer­den und die Bahn, siehe nebenstehende Karte, erst entlang der Straße und dann durch unverbautes Ge­lände zur Talsta­tion der Jennerbahn weiter geführt wer­den. Über die Jennerbahnstraße wird dann die Endstation an der Seestraße erreicht.

Damit werden Schwierigkeiten im seit 1966 bebau­ungsmäßig verdichteten Teil innerhalb des Ortsteils Königssee vermieden. Gleichzeitig wird das touristische Ziel Jenner mit in die Er­schlie­ßung einbezogen. Insbesondere für Skifahrer wird damit die Anreise mit dem öffent­lichen Ver­kehr wesentlich attaktiver als die derzeitige Straßenanbindung.

Um den in Spitzenzeiten notwendigen Viertelstundentakt zu ermöglichen, soll in der Mitte der Strecke eine Ausweich- und Kreuzungsstelle gebaut werden.

Kosten

Eine genaue Schätzung muß einer detaillierten Untersuchung, die Anfang 2012 beginnt, vorbehalten bleiben. Bei der Verlängerung der Usedomer Bäderbahn kostete der Kilometer etwa zwei Millionen Euro. Das höhere Preisniveau und die Elektrifizierung rechtfertigen hierauf einen Zuschlag; Zu­sät­zlich muß ein Ausweichbahnhof eingeplant werden. Ein Betrag von zwanzig Millionen Euro für die knapp fünf Kilometer lange Strecke sollte aber ausreichen.

Nutzen, Potential

Mit einer Verlagerung eines merklichen Anteils des Verkehrs von der Straße auf die Schie­ne wird die Umwelt entlastet. Für den Nationalpark und sein Umfeld bedeutet dies eine Ver­besserung der Attraktivität, für die Feriengäste eine Steigerung des Erholungswerts.

Viele Bahnen, die hauptsächlich Touristen befördern, weisen saisonal stark schwankende Fahrgastzahlen auf. Im Berchtesgadenerland hingegen ist an zehn von zwölf Monaten, also praktisch ganzjährig, starker Andrang zu erwarten. Die Wintersaison beginnt Mitte Dezem­ber und geht nahtlos in die Sommersaison über, die im Herbst je nach Witterung bis min­de­stens Mitte Oktober andauert.

Den Parkplatz am Königssee nutzen an Spitzentagen etwa 9.000 PKW, dies entspricht min­de­stens 13.000 Personen. Je nach Modal-Split sind damit pro Stunde 250 - 500 Fahrgäste zu erwarten. Dazu kommen noch Feriengäste, die im Bereich der wieder zu errichtenden Bahnstrecke wohnen und die für ihre Ausflugsfahrten beispielsweise nach Berchtesgaden, Reichenhall und Salzburg nicht mehr auf ihr Auto angewiesen sind. Ein weitgehender Halb­stun­dentakt, in Spitzenzeiten ein Viertelstundentakt ist für dieses Fahrgastaufkommen eine angemessenen Bedienung. Das hiermit erzielte gute Angebot läßt einen hohen Modal-Split erwarten.

Stand der Realisierung

Der Vorschlag wird in der Region seit langem diskutiert. Mit der vom Projekt "Kleckern statt Klotzen" 2009 erstmals zur Diskussion gestellten Streckenführung wurden die bis dahin gegen die Wiedererichtung der Bahn zum Königssee vorgetragenen Einwände berücksichtigt. Die Konflikte im Verdichtungsgebiet des Ortsteils Königssee werden vermieden.

Die Königsseebahn ist zum "Aushängeschild" der Initiativen für eine Regional-Stadt-Bahn (RSB) Salzburg geworden, die unter dem Motto "Mit der Bahn vom Salzkammergut zum Königssee" die Einbindung aller vorhandenen Bahnlinien im Großraum Salzburg anstrebt. Der Bürgermeister der Gemeinde Schönau am Königssee, in dessen Zuständigkeit die gesamte Strecke der Königsseebahn ab Berchtesgaden Hbf liegt, ist von der Idee begeistert und hat die Trassenfreihaltung für den vorgeschlagenen Linienverlauf zugesichert.

Die Euregio Salzburg (Stadt und Land), Berchtesgadener Land und Traunstein unterstützt die RSB. Viele Gemeinden und der Landkreis Berchtesgadener Land sind dem Unterstützungsverein RSB Salzburg beigetreten. In allen Kommunen gab es praktisch einstimmige Beschlüsse zu Gunsten des Vorhabens. Eine Machbarkeitsstudie wird mit Projektstart 1. Januar 2012 unter Federführung des Salzburger Verkehrsverbundes in Auftrag gegeben. Deren Finanzierung mit geschätzten Kosten 1,1 Mio Euro ist – auch mit EU-Mitteln – gesichert.

Ansprechpartner: Michael Behringer, Verkehrsforum Berchtesgadener Land


2011-10-17 (rb)